Wie alles begann

Geschichte der Partnerschaft

Anfang 1984 fasste der Kirchenvorstand der Zachäuskirche den einstimmigen Beschluss, eine Partnerschaft mit einer Gemeinde in der damaligen DDR einzugehen. Das Diakonische Werk vermittelte uns die Gemeinde Ballwitz im Kreis Neubrandenburg in Mecklenburg. Die Ballwitzer Gemeinde umfasste mit ihren acht Dörfern mit ca. 2000 Einwohnern rund 400 evangelische Christen. Sie liegt landschaftlich überaus reizvoll inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte.

1985 war Deutschland noch ein geteiltes Land. Wir begannen also eine Partnerschaft mit einer Gemeinde in der ehemaligen DDR. Die erste Kontaktaufnahme im Sommer 1985 mit dem Ballwitzer Pfarrer, Andreas Timm, fand nicht in Ballwitz, sondern in Ostberlin statt - in der Wohnung von Andreas Timms Bruder. Am Grenzübergang Bornholmer Brücke in Berlin gab es bei der Einreise eine unvorhersehbare Wartezeit von über zwei Stunden. So kamen wir mit großer Verspätung am Treffpunkt an. Im Hof des Hauses stand ein Trabbi mit dem Aufkleber „Schwerter zu Pflugscharen.“ Das war ein Erkennungszeichen. Die Erleichterung, angekommen zu sein, war auf beiden Seiten groß, war man doch immer der Willkür des DDR-Regimes ausgesetzt. So begann eine sehr spannende und lebendige Partnerschaft, die bis heute besteht.

Pfarrer Timm  lud uns Gröbenzeller nach Ballwitz ein. Wir sollten uns selbst ein Bild von der Gemeinde Ballwitz machen. Der Termin wurde auf das lange Allerheiligen-Wochenende terminiert. Viele interessierte Gröbenzeller*innen machten sich also auf die Reise nach Mecklenburg-Vorpommern. Mit dabei waren der damalige Pfarrer Gottfried Stoll mit seiner Frau, der damalige Diakon Peter Klentzan mit Frau und ca. 15 Gemeindeglieder jeden Alters. Es war eine spannende Unternehmung!

In Ballwitz nahm man uns mit überwältigender Herzlichkeit auf. Unser Besuch stand ganz im Zeichen des Kennenlernens, des Miteinander-ins-Gespräch-Kommens. Und das geschah bei gemeinsamer handfester Arbeit. Wir rodeten zusammen einen total überwucherten Friedhof rund um die Kirche in Zachow - bei strömendem Regen, ausgerüstet mit LPG-Jacken und Gummistiefeln und viel Fröhlichkeit in unserem Tun. Gemeinsam wurden in diesen Tagen Gottesdienste und der Abend der Begegnung gefeiert. Der Anfang unserer Partnerschaft war gemacht. Im Laufe der Jahre entwickelten sich daraus sehr viele persönliche Freundschaften.

Offiziell durften diese Kontakte zu DDR-Zeiten freilich erst nach dem 9. November 1989 werden. Vor dem Fall der Mauer hatten die politischen Entwicklungen in der DDR auch unsere Partnergemeinde erfasst. Viele Menschen aus Ballwitz und den umliegenden Dörfern demonstrierten jeden Mittwoch in Neubrandenburg für Freiheit und Demokratie, engagierten sich in neuen politischen Foren und sahen in den begonnenen Reformen eine große Hoffnung, nach jahrzehntelanger Bevormundung endlich selbst Verantwortung übernehmen zu dürfen und in ihrer Heimat Demokratie zu realisieren.

Den Umbruch in der DDR haben wir Ende Oktober 1989 beim derzeitigen Besuch der Ballwitzer bei uns hautnah miterlebt. Am 9.November 1989, als die Mauer fiel, war Andreas Timm bei uns in Gröbenzell. Am nächsten Morgen packte er seinen Koffer und fuhr zurück nach Ballwitz. Seine Gemeinde brauchte ihn nun dort.

Einige Zeit später leistete die politische Gemeinde Gröbenzell der Gemeinde Ballwitz Amtshilfe. Der dortige Bürgermeister hatte darum gebeten. An der 700-Jahrfeier von Ballwitz im Juni 1990 nahmen dann erstmalig der Bürgermeister und Mitglieder nichtkirchlicher Organisationen teil. Zur 700-Jahrfeier schenkte die politische Gemeinde Gröbenzell der Gemeinde Ballwitz Spielgeräte für den neugeschaffenen Spielplatz. Eigenhändig brachten Bauhofmitarbeiter die Geräte nach Ballwitz und bauten sie auf - gelebte Partnerschaft auf vielen Ebenen.

Der erste Besuch in Ballwitz mit vielen Gröbenzeller Gemeindemitgliedern jeden Alters war ein voller Erfolg gewesen, die Gastfreundschaft überwältigend. Unsere Partnerschaft hat sich seitdem gewandelt, wurde enger und gefestigter. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Von Beginn an praktizierten wir eine gelebte Partnerschaft. Die gemeinsame Basis war und ist unser christlicher Glaube. Arbeitseinsätze z.B. rund um die Kirchen und auf den Friedhöfen gehörten und gehören ebenso zu unserem Programm wie Andachten und Gottesdienste. Die Bibelarbeiten sind immer ein wichtiger Bestandteil. Auch die Fröhlichkeit kommt nicht zu kurz. Der Abend der Begegnung und die Ausflüge sind großartige Höhepunkte unserer Begegnungen geblieben. Bis heute gelten unsere Treffen  dem Austausch. Unsere gegenseitigen jährlichen Besuche vor Ort gehören nach wie vor in unseren Jahreskreislauf. Sie dienen dem Austausch über unser Gemeindeleben hier wie dort.

Wenn Gott will, wir leben und gesund sind, sehen wir uns 2021 in Ballwitz wieder. Ballwitz ist immer eine Reise wert.

Angelika Gothsche, Juli 2020